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MANFRED OSANN
Zeitung und Wokismus: Wenn Der Rest (nur noch) Schweigen ist
Wenn ich in Wien bin, dann besuche ich gerne die Kaffeehäuser. Dort esse ich dann eine Sachertorte und trinke einen Einspänner. Dazu lese ich gerne französische und englische Zeitungen. Wenn ich mit der Deutschen Bahn fahre, dann lese ich gerne deutsche Zeitungen, üppige Wochenendausgaben, und DIE ZEIT, mit denen man mehrere Stunden auf angenehme und informative Weise verbringen kann. Ich war schon lange nicht mehr in Wien und mit der Deutschen Bahn bin ich auch schon lange nicht mehr gefahren.
Vor kurzem habe ich nach langer Zeit mal wieder die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung gelesen. Ich gestehe, ich war entsetzt. Gefühlt 90 Prozent oder noch mehr des Inhaltes war mit Frauen gefüllt oder diesen gewidmet. Ich hatte den Eindruck, ich würde nicht mehr eine linke, aber seriöse überregionale Zeitung, also eine Zeitung, die man bisher der Top Fünf in Deutschland zurechnen mußte, zu lesen. Mir schien, ich würde eher eine Frauenzeitschrift wie Brigitte oder Für Ihr lesen. Selbst im Kreuzworträtsel ging es um „berühmte Frauen“. Mä-nner wurden nur in absolut unausweichlichen Fällen genannt. Käme ich vom Mars, würde ich nach dieser Lektüre denken, daß auf diesem Planeten nur Frauen leben.
Ich weiß nicht, wie die anderen Ausgaben der Süddeutschen Zeitung aussehen. Ich möchte es auch nicht mehr wissen. Die Süddeutschen Zeitung nimmt den neuen Haltungsjournalismus sehr ernst. Dies ist postfaktische Berichterstattung. Der ÖRR trichtert seinen Zuschauern ein, daß die Darstellung der Fak-ten nicht mehr zeit(geist)gemäß ist. Vielmehr soll eine „Haltung“ vermittelt werden, womit der Verbraucher dann Hilfe bei der „Einordnung“ der Ereignisse bekommt. DIE ZEIT, Der Spiegel, der linke Stern setzen in Zukunft vermehrt auf Haltungs-journalismus, weil sie, verzweifelt, wie sie sind, sich dem verheerenden Wokismus beugen.
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Prof. Norbert Bolz, emeritierter Kulturwissenschaftler sagte im Interview, daß die 68-er, die sich in ihrer Kritik gegen die Gesellschaft gerichtet haben, noch Bücher gelesen und sich einem pluralistischen Diskurs gestellt haben. Die Woken von heute würden nichts mehr lesen, nichts mehr zur Diskussion freistellen. Sie sind im Besitz der absoluten Wahrheit. Ist man dagegen, dann ist man ihr Feind und wird als „umstritten“ markiert. „Umstritten“ ist mittlerweile das Codewort für den Ausschluß aus der Gesellschaft. Auch der Kabarettist Dieter Nuhr stellt fest, daß man seine Meinung heute nur noch sagen kann, wenn man bereit ist, den Preis dafür zu bezahlen. Ein Lichtblick in der deutschen Zeitungslandschaft ist, derzeit, das Hamburger Abendblatt. Das hätte ich nicht für möglich gehalten angesichts von in der Vergangenheit gelesenen Artikeln, die sich dem Wokismus geradezu angebiedert haben. Ich fürchte aber, das könnten die letzten Zuckungen sein. So willkommen die kritische Hinterfragung des alle anderen Meinungen ausschließenden „Zeitgeistes“ auch ist, so fehlt mir doch der Glaube, daß das Hamburger Abendblatt sich dem autoritären, ja totalitären Wokismus widersetzen oder gar etwas gegen ihn ausrichten kann.
Auf ihrem Posten geblieben ist allein die NZZ (Neue Zürcher Zeitung). Sie ist die einzige deutschsprachige Zeitung, die bisher weder von Wokismus in Frage gestellt wurde und die sich auch nicht panisch zu einem Haltungsjournalismus gewendet hat.
Wenn ich in Zukunft mit der Deutschen Bahn fahre, dann habe ich nicht mehr die Qual der Wahl, welche Zeitung ich lese. Diese Verarmung der Zeitungslandschaft empfinde ich als einen äußerst herben Verlust. Ich fühle mich versetzt in meine Jugend im kommu-nistischen Ostblock. Dort wußte jeder, daß die wenigen Zeitungen, die es gab, logen. Daß ich Ähnliches in Deutschland erleben muß, hätte ich nicht im Traum gedacht.
„Wehret den Anfängen!“ Denn ihr wißt genau, wohin das führt. Steht auf und sagt: „Nein!“ Wer uns anlügt, hat sich unsere „Gefolgschaft“ verwirkt. Die Uniformierung der deutschen Medienlandschaft und die Sammlung derer unter dem Banner des Wokismus betrachte ich als eine äußerst beunruhigende Entwicklung. Dies ist eine große Gefahr, welche die Freiheit unserer Gesellschaft massiv bedroht.
Wenn ich erst nach Wien fahren muß, um bei einer Sachertorte und einem Einspänner französische und englische Zeitungen zu lesen, um das Gefühl wiederzufinden, daß ich mich in einer vernünftigen Welt befinde, dann wird es zu spät sein. Und wir werden uns schließlich an unseren Enkeln unwiderbringlich verschuldet haben. Wenn dem Schweigen gegenüber dem unseligen Wokismus nichts mehr widersetzt werden kann, dann möchte ich nur noch Hamlet zitieren: „Der Rest ist Schweigen.“
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