WERNER GÖBL Der hoffnungsvolle Traum
(aus ”Der verlorene Tag”, Winterwork Verlag, 2021)
Ich bin vor knapp einer Stunde aufgestanden. So richtig wach bin ich noch immer nicht. Verstehen sie mich nicht falsch! Ich ringe mit den Wörtern um genauer auszudrücken was wirklich passiert ist. Sicher ist es nichts Außergewöhnliches, dass man nachts, während wir schlaffen, träumen. Und es ist auch normal, dass man das Geträumte für wahr hält. Zumindest für eine Weile. Nun war es kein Albtraum. Im Gegenteil! Ohne es ein bisschen zu übertreiben, es war der schönste Traum, den ein Mensch träumen kann. Gerade deswegen versuche ich ihn nieder zuschreiben. Also! Ich war nicht Gott in diesem Traum. Ich habe nur diese Rolle gespielt. Genauer: ich musste diese Rolle spielen. Ich hatte zwar übermenschliche Fähigkeiten, aber, wie sie selbst sehen werden, waren sie sehr beschränkt. Unten anderen, ich konnte keine Wunder vollbringen. Selbst nicht! Umso mehr war, alles was um mich herum geschah, ein Wunder. Der erste Ort, wo ich auftauchte, war mir unbekannt. In einem Traum fragt man sich nicht: Wo bin ich jetzt und was mache ich hier? Da läuft alles von selbst. Wie sie merken, ich versuche zu rekonstruieren und zu verstehen was sich da abgespielt hat. Es musste ein beliebter Urlaubsort gewesen sein. Ohne es genau zu wissen, nehme ich an, dass es eine Insel war. Aber das spielt keine wesentliche Rolle. Die Leute, die an mir vorbeigingen, sprachen verschiedene Sprachen und ich konnte sie alle verstehen. Und nicht nur das, ich konnte sie auch sprechen. Es dauerte nicht lange bis ich mich beobachtet fühlte. Auffallend war, bestimmt, meine Kleidung. Ich war von oben bis unten weiß. Sogar die Schuhe, wenn man das so nennen kann, was ich an den Füssen trug, waren weiß. Auch jetzt, oder erst jetzt, im Wachzustand, kann ich diese Bekleidung nicht zeitlich zuordnen. Ich behaupte, auch wenn das Verwirrungen zeugt, dass sie zeitlos war. Der erste Mensch, der mich ansprach, war ein Japaner. Zumindest hat er japanisch gesprochen.
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